Montag, 26. Mai 2014

Das wandelnde Geschlecht

Das Essener Folkwangmuseum hat zwischen dem 21.September 2013 und 12.Januar 2014 erstmalig in der deutschen Kunstlandschaft komplett die 18 Frauenplastiken des deutschen Künstlers Thomas Schütte ausgestellt. Die Ausstellung "Frauen" beinhaltete Keramikarbeiten, die als Vorlage für die 18 Frauenplastiken dienten. Die Frauenakte sind zwischen der Dekade von 1999 und 2009 entstanden. Als Werksoffe wurden Stahl, Aluminium und Bronze verwendet.

Die überlebensgroßen Exponate wurden auf tischähnlichen Stahlkonstruktionen, in zwei Reihen nebeneinander gesetzt, ausgestellt. Die zwei Reihen wurden durch eine Wand, die Durchgangsöffnungen aufwies, getrennt. Die Arbeiten befinden sich im Privatbesitz des Künstlers und tragen als Titel Nummern von 1 bis 18. Die Plastiken sind überdimensional und tragen nicht unbedingt Merkmale, die sie einem Geschlecht zuordnen. Sie unterscheiden sich in Farbe, Form und Oberflächenbeschaffenheit. 



Hobbyanalytiker nennen als Grund für die Erschaffung dieses Werkes eine problematische Beziehung des Künstlers zum anderen Geschlecht, und verweisen auf eigene Aussagen des Künstlers. Diese Aussagen sollten aber nicht als bare Münze genommen  und eher als anekdotisch und humorvoll gesehen werden. Dafür spricht die formal-logische Haltung des Künstlers, die in der Anordnung der Exponate der Ausstellung bis selbst an den Formen der Plastiken zu erkennen ist. Die durchgehende Nummerierung der Exponate als Titelauswahl, unterstreicht die experimentell-distanzierte Herangehensweise  des Künstlers.


Thomas Schütte trägt durch diese Arbeit den wissenschaftlichen Diskurs der Geschlechterkonstruktion in den Kunstraum und erweitert ihn um visuell-räumliche Aspekte. Dieser wird in den interdisziplinären Trangender Studies geführt. Zu sehen sind halbfertige Körper, die sich nach Identität und Vervollkommnung sehnen. Die Körper sind nicht statisch, sondern in Bewegung. Sie fordern den Betrachter auf, sie in seinen Augen zu vollenden. So wie die Körper an manchen Stellen nicht unbedingt  das Geschlecht offenbaren, wird der Betrachter mit dem Problem des Wandels des Geschlechtsbegriffes konfrontiert. Der scheinbar eindeutige Geschlechtsbegriff von Mann und Frau, der aus anatomischen und biologischen Prämissen definiert wurde, scheint zu bröckeln.

Zu guter letzt wird diese Annahme durch ein aktuelles Phänomen unterstrichen. Conchita Wurst, die Eurovision Song Contest 2014 Gewinnerin aus Österreich. Diese attraktive junge Frau mit einer Idealfigur und gepflegten Vollbart, hat den Geschlechtsdiskurs aus den Universitäten an den Stammtischen getragen. Ob das gut ist oder nicht, wer weiß das schon. Aber immerhin wird wieder diskutiert. Immerhin.

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